Die Figur des ›Mittlers‹ rückt in der Transferforschung in neuerer Zeit zunehmend ins Zentrum des Interesses: Zivilgesellschaftliche Akteure, die mit ihrem Engagement in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg zum transkulturellen Austausch und damit letztlich auch zur europäischen Integration beigetragen haben, sind in Form eines modernen ›Versöhnungsnarrativs‹ regelrecht zu ›Helden‹ avanciert. Konflikten und Missverständnissen, die letztlich auch Teil aller noch so geglückten Transferleistungen sind, wird hingegen kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Dies mündet letztlich in die einseitige Vorstellung, dass funktionierende interkulturelle Beziehungen grundsätzlich auf Harmonie basieren. Ausgehend von dieser Beobachtung nehmen die Beiträge des vorliegenden Bandes das Phänomen des kulturellen Mittlers in literaturwissenschaftlicher, historischer, linguistischer und ideengeschichtlicher Perspektive in den Blick, und zwar sowohl in seinen konkreten Erscheinungsformen als auch in theoretisch-methodischer Reflexion. Um die eindimensionale Vorstellung eines auf Verständnis und Sympathie basierenden Kulturtransfers zu konterkarieren, erfahren hierbei auch die konfliktreichen Aspekte des Transfers Berücksichtigung, insbesondere negative und asymmetrische Austauschbeziehungen sowie Missverständnisse und Krisen in den durchaus schwierigen Zeiten des 20. Jahrhunderts.